helnwein archiv

Stuttgartner Nachrichten – 27. Oktober 1987

Galerie Harthan, Stuttgart, 1987

VOM SCHOCK ZUR TRAGIK

von Christoph Becker

Gottfried Helnwein in Stuttgart - jetzt ganz anders

Der Schlaksige mit der Stirnbinde im wirren Haar und der schwarzen Sonnenbrille - ist das der bekannteste Künstler Österreichs? Wer kennst das Bild nicht vom bandagierten Kopf, die halbverdeckten Augen, in die sich, durch die Grimasse, zerbogene Gabeln eingraben: Als Titelbild ging das Motiv um die halbe Welt. Als Gottfried Helnwein in der Galerie Harthan stand, zur Vernissage mit seinem Dichterfreund Wolfgang Bauer angereist, hätte man die Änlichkeit eigentlich feststellen müssen.

Gottfried Helnwein in Stuttgart - jetzt ganz anders

Der Schlaksige mit der Stirnbinde im wirren Haar und der schwarzen Sonnenbrille - ist das der bekannteste Künstler Österreichs? Wer kennst das Bild nicht vom bandagierten Kopf, die halbverdeckten Augen, in die sich, durch die Grimasse, zerbogene Gabeln eingraben: Als Titelbild ging das Motiv um die halbe Welt. Als Gottfried Helnwein in der Galerie Harthan stand, zur Vernissage mit seinem Dichterfreund Wolfgang Bauer angereist, hätte man die Änlichkeit eigentlich feststellen müssen.

Doch an den Wänden war vom Fotorealisten Helnwein nichts zu sehen. Im Wien der siebziger Jahre war die Suche nach den Perversionen unter oberflächlicher Erotik erfolgreich, und als das Rezept Furore machte, kamen politische Inhalte dazu. Ohne die permanenten erotischen Illusionen fallen zu lassen, entwickelte sich Helnwein zum gefragten Plakatmacher. Als der Abschied aus Wien kam, und Helnwein vor zwei Jahren an den Rhein umzog, änderte sich manches. In der Galerie Harthan hängen neue Bilder. Heute versucht Helnwein - indem er den Kopf wie ein vertrautes Markenzeichen als Motiv benutzt - durch Übermalungen die Verfremdung in eine andere Richtung zu treiben. Durch den subtilen Einsatz malerischer Mittel löscht er den Naturalismus fast völlig aus. Wenn er seine Malerei mit Fotografien kombiniert, wird deutlicher, worum es ihm geht: Der malerische Realismus steckt in dem Spannungsfeld zwischen reiner Abbildlichkeit und extremer Verfremdung; beide Pole waren in den früheren Bilder durch eine pointierte Aussage verdeckt. Jetzt legt Helnwein sie offen - könnte man meinen. Der "Schockmaler", der einst verstand, Gruseln zu erzeugen, stilisiert sich nun zur tragischer Figur - "reine Malerei" und "reine Fotografie" sind die Schlagworte im Zusammenhang mit dem Helnwein vom Rhein. Es wäre erstaunlich, wenn die Läuterung so flugs vor sich gegangen wäre. Eine treue Gemeinde trauert mit dem Künstler um das Verlorene. Helnwein, von einem Austellungsbesucher gefragt, ob er nun nie wieder realistisch malen würde, antwortete: "Vielleicht!" - und auf beiden Seiten war Erleichterung zu spüren. (Galerie Harthan bis zum 21. November)

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