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Kurier, Wien – 17. Mai 2003

INTERVIEW Der Künstler Gottfried Helnwein über seine Arbeit mit Rockstar Marilyn Manson

DER GEGENSPIELER DER GESELLSCHAFT

von Michael Huber, Interview

KURIER: Was verbindet Sie mit Marilyn Manson?

GOTTFRIED HELNWEIN: Ich glaube, dass wir beide nicht einzuordnen sind. Der Manson ist ja einer, der über das Klischee des Rockmusikers hinausgeht, der hervorragende Performancekunst macht, sehr gut mit visuellen Dingen arbeitet und ausgezeichnet schreibt.

Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?

GOTTFRIED HELNWEIN: Als Kind hat der Manson einmal eine Platte der Scorpions gekauft (deren Cover von Helnwein stammte, Anm.). Ab da hat er meine Arbeit verfolgt. Seit einem Jahr habe ich ein Atelier in Los Angeles, und seitdem arbeiten wir zusammen. Aus irgend einem Grund ist mir alles, was er macht - wie er empfindet, wie er denkt und arbeitet - völlig vertraut. Faszinierend ist, dass er einerseits wie ein Kind ist, im besten Sinn. Das ist eine Eigenschaft, die jeder Künstler haben müsste. Auf der anderen Seite ist er eine Diva, mit Allüren, vor denen selbst Marlene Dietrich erblassen würde. Aber er ist auch unglaublich diszipliniert, intelligent und liest eine Menge. Die Leute, die uns immer interessiert haben, sind die gleichen: Artaud, Goya - die Tradition, in der der Künstler der Gegenspieler der Gesellschaft ist.

Welche Rolle spielt Ihre Bildwelt in Mansons Werk?

GOTTFRIED HELNWEIN: In seinem Video sind viele Elemente aus meinen Arbeiten drin. Ich habe dazu über die Monate sicher tausende Bilder von Manson gemacht. Das Prinzip der ständigen Verwandlung, Erneuerung und Selbsterfindung bei ihm finde ich faszinierend. Das sollte das Prinzip jeder Kunst sein. Mich interessiert auch, dass er viele Jugendliche und Leute erreicht, die sich nicht mit Kunst beschäftigen.

Hat man als Künstler nicht weniger Kontrolle über sein Werk, wenn es auf einem CD-Cover verwendet wird und man nicht bestimmen kann, wie es rezipiert wird?

GOTTFRIED HELNWEIN; So einen großen Unterschied gibt es von der Struktur her nicht. Es ist jedes Mal eine autoritäre Gesellschaft dahinter. In der Museumsszene haben heute Kuratoren absolute Macht, Künstler haben wenig Einfluss. Es geht nur mehr um Politik - wie sie sich gegeneinander ausspielen, um Sammler kämpfen, wie sie den Marktwert bestimmter Künstler künstlich hochtreiben. Wenn man sich das Musikgeschäft anschaut, ist das genauso. Ich habe gemerkt, wie brutal das ist. Die Mickymaus, die wir als Cover wollten, hat die Plattenfirma abgelehnt, weil sie Angst hatte, dass Disney klagt. Ich hätte so eine Konfrontation ja gut gefunden, und ich glaube nicht, dass sie stattgefunden hätte. Doch das ist denen da oben egal. Die wollen null Risiko und maximalen Profit.

Können Sie definieren, was Rockmusik für Sie bedeutet?

GOTTFRIED HELNWEIN; Ich bin in einer finsteren, schlechten Zeit in Wien aufgewachsen. Die einzige Kultur, mit der ich in Verbindung gekommen bin, war in den Kirchen, in denen man ständig sitzen musste. Das erste Mickymaus-Heft war für mich dann so, als wenn ich neu geboren würe. Später kam dann der Elvis. Was mich beeinflusst hat, war immer nur Trivialkultur. Wenn ich an Hochkunst denke, dann füllt mir nur die Professorin an der Grafischen ein, die uns genervt hat.

Sie sprachen von der Wichtigkeit, Kind zu bleiben. Erleichtert die Zuneigung zur Popmusik das?

GOTTFRIED HELNWEIN; Ich glaube, dass die breite Popkultur es auch erschwert. Das meiste ist einfach eine Infantilisierung der Welt. In Amerika merkt man's besonders, weil jeder mit 17 aufhören will, sich zu verändern.

Es wurde kolportiert, dass Sie mit Manson in Wien ein Video drehen wollen.

GOTTFRIED HELNWEIN: Ja, das nächste Video soll ich machen, und es war sein Vorschlag, es in Wien zu drehen. Ich habe ihm von verschiedenen Dingen erzählt, und es hat ihn sehr interessiert. Ob es stattfinden wird, weiß ich nicht, das weiß man bei ihm nie.

Was geschieht mit dem Manson-Werk? Das CD-Cover ist nur ein kleiner Teil . . .

GOTTFRIED HELNWEIN: Es ist fast ein Nebenprodukt. Ich werde erst in Los Angeles eine größere Ausstellung zeigen, später wird der Zyklus in einem Buch erscheinen und in verschiedenen Museen gezeigt werden.

Eine Frage noch: Hat das Kopftuch, das Sie seit Jahren tragen, eine Bedeutung?

GOTTFRIED HELNWEIN: Gute Frage. Ich habe mich so daran gewöhnt, dass es irgendwie angenehm ist. Wenn es ums Image ginge, würde ich es lieber ändern, aber das ist mir zu anstrengend.

Interview: Michael Huber

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