helnwein archiv

Stuttgarter Zeitung – 16. Juni 2001

Strawinskys "The Rake's Progress", 2001

ZIEHENDE WOLKEN

von Götz Thieme

Strawinskys "The Rake's Progress", 2001

Flimm gewann für Bühne und Kostüme Gottfried Helnwein, der angeblich notorisch Drastik und Provokation sucht, zunächst aber ein ingeniöser Bildmacher ist. ein Maler, Grafiker und Fotograf. Das verbindet ihn mit William Hogarth, dem englischen Kupferstecher, dessen Bilderzyklen Strawinsky zur Oper inspirierten. Doch 250 Jahre später setzt Helnwein nicht bei Hogarth und seiner realistisch genauen Darstellung der Londoner Casinos, Lusthöllen und Irrenhäuser an. Helnwein arrangiert eine magische Zeitlosigkeit durch präzise Rekostruktion konkreter Stile und zugleich fantasiegeborener Kreationen. Selten erlebte man die plastische Wirkungskraft von Kostümen so intensiv wie in Helnweins schiefem, nach rechts sich neigendem Kubusraum, in den zur Linken drei Türen eingelassen sind und dessen hellweisse Flächen immer wieder Bildprojektionen dienen, Kostüme und Bilder sind von ausgesuchtem Antipsychologismus, von entwaffnend stereotyper Symbolik, so wie Audens und Kallmans Text, wie Strawinskys Musik.

Handelsblatt – 15. Juni 2001

Strawinskys "The Rake's Progress", 2001

DROLLIGE SCHURKEN

von Hans Berndt

Leicht, doch keineswegs zu leicht genommen haben Flimm, Helnwein und Metzmacher das dreistündige Moralmärchen des Igor Strawinsky. Die hanseatischen Opernfreunde, enttäuscht von mehreren Regie-Fehlgriffen, jubeln diesmal unbeschwert. Einen Jux machen wollen sich die Herren Helnwein und Flimm. Das gelingt ihnen. Absurd komisch gerät Toms Eheschließung mit Baba, dem vollbärtigen Zugstar vom Rummelplatz, grotesk die Versteigerung seiner Habe nach der geplatzten Luftnummer am Aktienmarkt. Leichte Regiehand lenkt selbst das Kartenspiel mit Teufel Nick, bei dem der Taugenichts sein Leben gewinnt, aber den Verstand verliert. In Zeitlupentempo bricht zwar die Irrenhauswand über Tom und Anne zusammen. Doch die Epilog-Moral tönt wieder versöhnlich.

Der Tagesspiegel – 13. Juni 2001

Strawinskys "The Rake's Progress", 2001

DER WÜSTE LEBT

von Sybille Mahlke

Kleines Welttheater: Strawinskys Oper "The Rake's Progress" in Hamburg, illustriert von Helnwein.
Die Regie Jürgen Flimms fügt sich triftig in den Dialog zwischen kammermusikalischem Orchesterklang und Bühnenbild , weil Helnwein die Erzählung leitet. Fern vom schweren Musikdrama,nimmt die Inszinierung die Stilexkursionen Strawinskys und Audens auf, wenn im Bordell Rokoko-Damen auf Glatzköpfe in gepolstertem Blouson-Look treffen und die Chefin Mutter Goose ostinat auf dem Teufel reitet. In Helnweins Bildergeschichte macht sie ihrem Namen Ehre mit einem Donald Duck auf dem Kopf.

Bild – 12. Juni 2001

"The Rake's Progress" by Igor Strawinsky, 2001

TOLLE KULISSE, STARKE SÄNGER

von Lien Kaspari

Premiere der Strawinsky-Oper "The Rake's Progress"

Hochhäuser, die als Video an die Wand projiziert werden, bewegte Bilder von fahrenden Autos und spritzendem Blut, grelle Kostüme - der österreichische Künstler Gottfried Helnwein hat in der Strawinsky-Oper "The Rake's Progress" als Bühnenbildner nicht mit Ideen gespart. Am Sonntag hatte die Inszenierung von Jürgen Flimm Premiere an der Staatsoper.

Frankfurter Allgemeine Zeitung – 12. Juni 2001

Strawinskys "The Rake's Progress", 2001

BEFREIUNG INS SCHWARZE NICHTS

von Julia Spinola

Aus dem Reich der Verstümmelten und der bandagierten Köpfe: Strawinskys "Rake's Progress" an der Hamburgischen Staatsoper.
Das Eindringen des Horrors in den Alltag hat wohl kaum jemand so beklemmend dargestellt wie der österreichische Künstler Gottfried Helnwein. Auf seinen Bildern nimmt die Gewalt derart Besitz von der Normalität, dass sie zum alles vergiftenden Elixier des Grauens wird. Viele seiner Gemälde, Plakate, Fotografien und Federzeichnungen zeigen Versehrung und Verstümmlung von Menschen, klinische Folterszenen, brutalisierten Kindern mit apathischen Blick, mit verbundenen Köpfen und Händen, oder mit ausradierten Gesichtern. Dennoch schockiert nicht die Inhalte allein: So umfassend scheint vielmehr Helnweins Perspektive auf das Leben vom Gefühl der Qual durchtränkt, dass selbst motivisch harmlosen Porträts, von John F. Kennedy oder Mick Jagger etwa, noch die Gewalt aus jeder fotorealistischen Pore dringt.

Hamburger Abendblatt – 11. Juni 2001

Strawinskys "The Rake's Progress", 2001

FLIMMS "RAKE" - EFFEKTVOLLES ENTERTAINMENT

von jomi

Gottfried Helnweins Bühne - ein schlichter Schaukasten, durch fantasievolle Videoprojektionen der wichtigste und cleverste Stichwortgeber des Abends -

Frankfurter Allgemeine – 11. Juni 2001

Strawinskys "The Rake's Progress" Opernpremiere, 2001

STRAWINSKY: GÄRTNER STATT TAUGENICHTS

von David Roesner

Der Bühnenbildner Gottfried Helnwein, zweite prägende Figur des Abends, hat das turbulente Libretto W.H. Audens in einem abstrakten Einheitsbühnenbild verortet, dessen Wände expressionistisch schief aufragen und sich durch Licht und Videoprojektionen effektvoll zu verwandeln wissen. Dabei entstehen teilweise überzeugende Traum- und Alptraumbilder: Anna Trulove (Gabriele Rossmanith), die verlassene Geliebte, sucht ihren Rumtreiber Rakewell (Bruce Fowler) und wandelt dabei zerbrechlich mit einem blauen Schirmchen durch die Londoner Unwirtlichkeit, die sie als Fernseh-Schneetreiben auf den Bühnenwänden umgibt. Das Schlussbild der Inszenierung schwingt noch auf dem Heimweg nach: die in Zeitlupe einstürzenden Bühnenwände, die einzig ein von der Liebe singendes Paar verschonen. Mehr Oper wäre gar nicht nötig gewesen.

opernfreund.com – 10. Juni 2001

Strawinskys "The Rake's Progress", 2001

STRAWINSKYS "THE RAKE'S PROGRESS"

Pfemiere 10. 6.
Strawinskys "The Rake's Progress" hat am 10.06.
unter Flimm /Helnwein/ Metzmacher Premiere
"Flimm hat gemeinsam mit Helnwein, der auch die witzigen, farcenhaft übersteigerten Kostüme entworfen hat, am Bühnenbild gefeilt. "Die kleine Bühne macht die Figuren sehr stark. Und passend zu dem plakativen Stück hat Helnwein großformatig Videos und Dias mit Großstadtszenen und verzerrten Gesichtern in den Raum projiziert."
www.opernfreund.de

Die Welt – 8. Juni 2001

Strawinskys "The Rake's Progress", 2001

AM ENDE IST DA NUR NOCH DIE NACKTE WAHRHEIT

von Die Welt

Jürgen Flimm über seine Operninszenierung "The Rake's Progress" und die Lage der Hamburger Theater
Kein Plakat kündigt bisher die Staatsopern-Premiere von Igor Strawinskys "The Rake's Progress" an. Ungewöhnlich diskret für ein Ereignis, das bereits am kommenden Sonntag stattfindet. Zumal wenn Gottfried Helnwein, seit seinen provozierenden Plakaten zu "Lulu", "Andi" und "Pasolini" für das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg berühmt und berüchtigt, der Bühnen- und Kostümbildner ist. Und immerhin inszeniert Jürgen Flimm, Ex-Intendant des Thalia Theaters, erstmals nach 20 Jahren wieder am hiesigen Opernhaus. Für die WELT sprach Monika Nellissen mit Jürgen Flimm über seine Inszenierung.
DIE WELT: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, mit Herrn Helnwein zusammenzuarbeiten?
Jürgen Flimm: Wir haben uns auf einer Geburtstagsfeier in Wien kennen gelernt und nett unterhalten. Da kam mir die Idee, dass er, wenn ich hier "The Rake's Progress" inszeniere, das Bühnenbild machen sollte, weil er extrem auf die Leute gucken kann.

dpa – 7. Juni 2001

Strawinskys "The Rake's Progress", 2001

THE RAKE'S PROGRESS

Hamburg (dpa/lno) - Der eine ist ein kampferprobter Bühnen-Profi, der andere macht sich stark für die Musik des 20. Jahrhunderts, der Dritte im Bunde hat mit seinen hyperrealistischen, plakativen Werken Furore gemacht. Flimm hat gemeinsam mit Helnwein, der auch die witzigen, farcenhaft übersteigerten Kostüme entworfen hat, am Bühnenbild gefeilt. "Die kleine Bühne macht die Figuren sehr stark. Und passend zu dem plakativen Stück hat Helnwein großformatig Videos und Dias mit Großstadtszenen und verzerrten Gesichtern in dem Raum projiziert."