helnwein archiv

fotoMAGAZIN, Kunstmarkt – 1. Mai 1996

Interview mit dem Kunstsammler Peter Ludwig, 1996

FOTOGRAFEN UND MALER

von AEM

Interview mit dem Kunstsammler Peter Ludwig
Die Kunstsammler Irene und Peter Ludwig gehören zu den wichtigsten Sammlern moderner Kunst. Ohne das Engagement von Professor Ludwig und seiner Frau wäre Köln "kunstärmer". Das nach Mäzen Ludwig benannte Ludwig-Museum widmet sich auch der modernen Fotokunst. Derzeit wird eine maßgebliche Fotokunst-Ausstellung vorbereitet. Grund genug, den berühmten Sammler Mäzen zu seinem Verhältnis zu Fotokunst zu befragen.fm: Trotzdem: Wozu denn so etwas wie die Arbeiten von Richter oder Helnwein, die Lexikonfotos abmalten?Ludwig: Der Künstler benutzt die Fotovorlagen, um daraus Bilder zu machen - und das ist etwas, was es schon im 19. Jahrhundert gab. Lehnbach hat seine berühmten Porträts der Zeitgenossen nach Fotos gemalt. Richter und Helnwein haben den Fotovorlagen einen zusätzlichen Akzent gegeben - sie haben sie in Bilder umgesetzt und nicht kopiert.

In Wirklichkeit ist Helnwein kaum einzuordnen. Bei ihm findet sich ebenso ein kleinmeisterliches Werk skurril-phantastischer Zeichnungen in der Nachfolge von Redon und Kubin. Meist vergessen wird auch sein Engagement gegen autoritäre Erziehung, Wettrüsten, Verschmutzung der Umwelt und Psychiatrie. Helnwein hat die Motive und Formen der Populärkultur in teils karikierender, teils grotesk verfremdender Absicht verwendet. Sein penetranter Hypernaturalismus beunruhigt, grenzt an ironische Übertreibung. Die Brecht-Benjaminsche Maxime "Nicht an das gute Alte anknüpfen, sondern an das schlechte Neue" hat bereits seine Anfänge in den frühen siebziger Jahren bestimmt. Der akademisch ausgebildete Maler aus der Wiener Schule Rudolf Hausners bekennt heute, von der Rockmusik und Walt Disney mehr gelernt zu haben als von Mozart und Leonardo da Vinci. Er habe sich eines Tages für den Erfolg entschieden und eine Kommunikationsform angestrebt, die volkstümlich, leicht verständlich, unterhaltsam sei und ihre Daseinsberechtigung aus der Interessiertheit der Massen beziehe. So wurde für ihn das grenzüberschreitende Arbeiten mit Mitteln ebenso der Fotografie, Comic strips, Science-fiction wie der realistischen Malerei eine selbstverständliche Konsequenz.

fm: Sie haben sich als renommierter Kunstkenner auch mit Gemälden beschäftigt, die nach Fotos gemalt wurden - etwa von Malern wie Gerhard Richter und Gottfried Helnwein. Beide haben Porträts gemalt "wie fotografiert" - was reizt Sie daran?

Ludwig: Das Foto ist seit der Erfindung der Fotografie ein wesentliches Medium auch für die Maler. Der ganze Impressionismus ist undenkbar ohne Fotografie. Der Bildaufbau der Impressionisten kommt von der Fotografie. Und bedeutende Impressionisten waren auch bedeutende Fotografen.

fm: Trotzdem: Wozu denn so etwas wie die Arbeiten von Richter oder Helnwein, die Lexikonfotos abmalten?

Ludwig: Der Künstler benutzt die Fotovorlagen, um daraus Bilder zu machen - und das ist etwas, was es schon im 19. Jahrhundert gab. Lehnbach hat seine berühmten Porträts der Zeitgenossen nach Fotos gemalt. Richter und Helnwein haben den Fotovorlagen einen zusätzlichen Akzent gegeben - sie haben sie in Bilder umgesetzt und nicht kopiert.

fm: Ist Fotografie für Sie eigenständige Kunst?

Ludwig: Eine ganz eigenständige Kunst von höchstem Rang. Man kann keine Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts schreiben ohne Fotografie. Die Fotografen haben bildkünstlerische Überlegungen mit einbezogen. Wir haben eine surrealistische Fotografie, die ohne surrealistische Bilder undenkbar ist. Und wir haben umgekehrt Kunstwerke, die auf Fotografien zurückgehen. Klar ist, daß legitim neben der Malerei die Fotografie einen eigenständigen Platz hat.

fm: Welche Fotografie haben Sie gekauft?

Ludwig: Nicht zeitgenössische, da gibt es hervorragende Sammler. Wir haben eine wichtige Sammlung russischer Avantgarde-Fotografie. Fotografie, die während und nach der kommunistischen Revolution in Russland entstanden ist. Solche Fotografien nehmen in der Geschichte der Fotografie einen ganz besonderen Platz ein. Dazu muß man wissen, unsere Sammlung - von meiner Frau und mir - ist in allem darauf aufgebaut, Informationslücken zu schließen. Zum Glück gibt es solche Lücken in den Fotosammlungen nicht, und hier bedarf es auch nicht unseres Engagement für Museen. Wir setzen uns aber nachdrücklich beim Museum Ludwig dafür ein, daß die Fotosammlung ständig ausgebaut wird.

fm: Die Fotoabteilung des Museums leidet aber darunter, daß sie kaum Ausstellungsräume besitzt...

Ludwig: Wir arbeiten daran, die Raumverhältnisse in Vereinbarung mit der Stadt Köln gerade für die Fotoabteilung wesentlich zu verbessern. Wir glauben, daß man in einem Museum der Kunst des 20. Jahrhunderts ständig Fotos ausstellen sollte.

Interview: AEM

Gottfried Helnwein, Fotogrfie:
www.helnwein.org/werke/photo/group/image.html

Gottfried Helnwein, Öl und Acryl auf Leinwand:
www.helnwein.de/werke/leinwand/tafel_1.html

01.May.1996 fotoMAGAZIN AEM